Im Spannungsfeld des Zeitgeistes
Die Entstehung der Jugendfarmbewegung im Elsental
Was im privaten Umfeld mit Pferden hinterm Haus begonnen hatte, wurde in den 70er Jahren schnell aufgegriffen, denn es entsprach dem Zeitgeist und der Sehnsucht vieler Menschen nach Erneuerung, Einfachheit, Echtheit, Selbstversorgung, „zurück zur Natur“…
Die späten 60er und die frühen 70er Jahre waren geprägt von dem Spannungsfeld zwischen Tradition und Aufbruch. Die Jugendfarmbewegung ist in diesem Sinn auch Kind der Zeit.
In den 50er Jahren war in Deutschland noch die Zeit des große Vergessens, des Verdrängens und des Wirtschaftswunders. Die bürgerliche Gesellschaft versuchte sich nach dem Krieg wieder zu etablieren. Die Frau blieb zuhause, versorgte die Kinder, polierte das Silberbesteck, der Mann war auf Arbeit. Erst 1969 wurden verheiratete Frauen geschäftsfähig.
Bis 1962 konnten Frauen ohne Einwilligung des Ehemannes kein eigenes Bankkonto eröffnen.
Auch ohne Emanzipationsbewegung war Thyra Boehm immer eine emanzipierte Frau gewesen, die ihre Werte in sich und nicht in gesellschaftlichen Normen suchte. So heirateten Thyra und Edgar auch erst, nachdem sie schon vier gemeinsame Kinder hatten. Dies war für die damalige Zeit höchst ungewöhnlich.
Unter Pferdeleuten galten in dieser Zeit die Maßstäbe der Großpferdereiter nach der FN (Deutsche Reiterliche Vereinigung). Pferde wurden in Boxen gehalten. An Offenstallhaltung hat niemand gedacht. In der Reiterei herrschten wie in der Pädagogik: Dressur, Macht, Ohnmacht, Stärke, Unterordnung, etc.
So war die Robustpferdehaltung und die leichte Reitweise auch ein Angriff auf diese Form des Umgangs mit Tieren. Thyra war eine der ersten Abonentinnen der Zeitschrift Ponypost von Ursula Bruhns, die die Islandpferde in Deutschland in dieser Zeit bekannt gemacht hatte und monatlich Tipps zur artgerechten Pferdehaltung im Offenstall und zu alternativen Reitmethoden gab.
In der Pädagogik wurde 1958 erstmals erlaubt, dass auch Frauen ihre Kinder körperlich züchtigen durften. Das galt schon als Emanzipation. Davor hieß es in den Familien: „Warte bis dein Vater nach Hause kommt, dann kannst Du was erleben….“
Die antiautoritäre Erziehung nach Alexander Sutherland Neill fand darin die zeitgemässe Antwort.
Die Aufstände der Studentenbewegung Ende der 60er Jahre waren der erste Aufbruch gegen diese gesellschaftlichen Korsetts und Verkrustungen.
In diese Zeit fiel nun der Gründungsimpuls.
Die Jugendfarm wurde von verschiedensten gesellschaftlichen Strömungen wahrgenommen:
Die bürgerlichen – zumeist konservativen Kreise konnten sich in dem Bezug zu Natur und Gemeinschaftssinn wiederfinden. Auch die sprachgewandte und verbindliche Art von Edgar Boehm konnte sie einnehmen.
Die linke Szene fand ihre Themen wieder in dem Aufbruch und in den Forderungen, Kinder frei aufwachsen zu lassen.